12-tägige Studienfahrt mit der VHS City West nach LATIUM – UMBRIEN – TRENTINO / SÜDTIROL
Dienstag, 1.10. bis Samstag, 12.10.2019 unter der Leitung von Dott. Gianfranco Ceccanei
Viterbo – Sperlonga – Terracina – ROM – Spoleto – Nago/Torbole sul Garda – Bozen
Die zentralen Themen der Reise waren der Politik und der Kunst gewidmet, besonders
- der Auseinandersetzung mit dem Faschismus bzw. Nationalsozialismus (Treffen am 7.10. in Rom): Die Deportationen der Juden und Oppositionellen in die Konzentrationslager, der italienischen Militärinternierten (IMI) in die Stammlager (Stalags) des III. Reiches und ihre Lage nach der Rückkehr in Italien.
- der romanisch–gotischen Zeit in Viterbo und Spoleto;
- »Das strahlende Rom der Renaissance«. Die Veränderung der Urbanistik durch die Planung der Päpste und die Einbeziehung der antiken Objekte in das Stadtbild; dem Domplatz in Terracina.
- sowie der Wohnungsbaupolitik in Trentino/ Südtirol. Hierzu vereinbarte Gianfranco Ceccanei ein Treffen mit Vertretern der Genossenschaft Legacoopbund am 11.10. in Bozen.
Die Reise begann am 1. Oktober um 20 Uhr am Breslauer Platz in Schöneberg in einem Prima-Klima-Luxusbus mit unserem kompetenten, serpentinenerprobten Chauffeur Thomas. Erstes Reiseziel nach dem Brenner und nach kurzen Zustiegspausen für TeilnehmerInnen, die für die Anreise Bahn oder Flugzeug gewählt hatten, in Rovereto und Bologna sowie Reggiolo (zwischen Mantua und Modena), war die Provinz- und Universitätsstadt Viterbo in Latium.
Gianfranco führte uns am 3. Oktober durch die Altstadt und machte uns mit der Kunst und der wechselvollen Geschichte vertraut: Eine etruskische Siedlung, 310 v. Chr. von den Römern erobert, 754-56 an den Papst abgetreten, Ende des 11. Jh. ›Unabhängige, Freie Kommune‹, zeitweise päpstliche Residenz (deshalb wird Viterbo auch die »Stadt der Päpste« genannt). Im 14. Jh. kam die Stadt unter die Herrschaft der Adelsfamilien Gatti und De Vico, 1396 unter päpstliche Oberhoheit. 1871 wurde Viterbo Teil des Königreichs Italien und 1927 Provinzhauptstadt.
Wir besichtigten die gut erhaltenen Paläste aus dem Mittelalter und der Renaissance, wie u.a. Palazzo dei Papi (der zu den wichtigsten Profanbauten des 13.Jh. zählt), Palazzo dei Priori, Palazzo Comunale, Palazzo del Podestá, Palazzo della Prefettura, den romanischen Dom San Lorenzo, eine 3-schiffige Säulenbasilika, die über den Resten eines Tempels im 12. Jh. von lombardischen Baumeistern errichtet wurde, mit einem gotischen Turm aus dem 14.Jh.
Die Stadtmauer mit sieben Toren, u. a. der Porta Florentina, ist noch teilweise erhalten, wie auch die zahlreichen Brunnen aus dem Mittelalter, wie z. B. die Fontana Grande und die Fontana di San Pietro alla Rocca auf den meist großzügig angelegten Plätzen. Der mittelalterliche Stadtteil San Pellegrino mit vielen kleinen Geschäften und Cafés lud zum Flanieren und Verweilen ein…
Nach einer Übernachtung im Hotel Balletti Palace gegenüber dem Hauptbahnhof fuhren wir am Freitag, dem 4. Oktober, weiter nach Sperlonga, »dem schönsten Ort an der latinischen Küste im südlichen Latium«: Die mittelalterliche, romantische Altstadt mit vielen kleinen Gassen und Treppen, die nur zu Fuß zu erkunden sind, liegt auf einem Felsen hoch über der Küste des Tyrrhenischen Meeres.
Unweit südlich davon die kunsthistorisch sehr interessanten Ausgrabungen der Villa und der freigelegten Grotte des Kaisers Tiberius aus dem 1. Jh. n. Chr., in der Tiberius der Überlieferung nach luxuriöse Feste gefeiert haben soll. Hier wurde eine überdimensionierte Marmorgruppe, »Odysseus im Kampf mit den Meeresungeheuern Skylla und Charybdis« des Bildhauers Polydoros gefunden, die im Archäologischen Museum zusammen mit anderen Skulpturen ausgestellt sind.
Das nächste Ziel war Terracina, eine römische Bürgerkolonie an der Via Appia Antica aus dem 4. Jh. v. Chr.: In Terracina erwartete uns ein gepflegtes Strandhotel – »Terre del Sole« – mit einem herrlichen Sandstrand. Einige von uns ließen es sich nicht nehmen, vor dem Abendessen schwimmen zu gehen, andere bevorzugten einen Strandspaziergang oder einen Drink an der Strandbar.
Am nächsten Tag, Samstag, 5.10., stand die Besichtigung des Doms im historischen Zentrum an und besonders des Domplatzes mit seinen altrömischen Denkmälern.
Der Dom San Cesario (um 1070) wurde auf alten Tempelruinen auf dem ehemaligen Forum (heute Piazza del Municipio) erbaut. Im dreischiffigen Innenraum, der im 18. Jh. verändert wurde, ist der wunderschöne Mosaikfußboden aus dem 13. Jh. (›Kosmatenarbeiten‹) zum größten Teil original erhalten.
Gegenüber der Kirche sind Tempelruinen aus dem 1. Jh. v. Chr. zu besichtigen. Auf dem original römischen Pflaster des einstigen Forums soll bereits Goethe während seiner Italienreise gewandelt sein.
Am Nachmittag fuhren wir weiter nach Rom. Bevor wir im Hotel Monteverde & Austria eingecheckt haben, besuchten wir die Kirche Santa Maria Nuova (heute S. Francesca Romana) in der Nähe der Foren mit einem römischen Glockenturm aus dem 12. Jh. Die Kirche wurde im 9. Jh. zum Teil über dem alten Tempel der Venus und der Roma errichtet.
Das Besichtigungsprogramm am Sonntag, 6.10., begann mit einem Rundgang über den Hügel Quirinale bis Fontana di Trevi unter besonderer Berücksichtigung der Verwendung kaiserlich-römischer Objekte durch die Renaissancepäpste.
Nachmittags: Rione Colonna , der III. Stadtteil von Rom, vom Pantheon (Begräbnisstätte wichtiger Künstler wie Raffael und der Könige Viktor Emanuel II. und Umberto I.) bis Piazza Colonna mit der Mark-Aurel-Säule im Mittelpunkt.
Montag, 7.10. vormittags: Spaziergang in Rione Parione, dem VI. Stadtteil Roms, mit ausführlichen Erklärungen von Gianfranco über die Bebauung der Piazza Farnese und der Piazza Navona sowie der Veränderung der Urbanistik und Architektur durch die Renaissancepäpste. Ausser den harmonisch gestalteten Palästen (Palazzo Farnese, Palazzo Pamphilj, u.a.) und Kirchen befinden sich auf beiden Plätzen riesige Brunnenanlagen: zwei Springbrunnen auf der Piazza Farnese aus dem 17. Jh. mit ägyptischen Granitwannen sowie auf der Piazza Navona der Vierströmebrunnen /Fontana dei Quattro Fiumi aus weißem Marmor, mit einem ägyptischen Obelisken, der die Flüsse Donau, Ganges, Nil und Rio della Plata darstellt sowie die Fontana di Moro und Fontana del Nettuno (beide aus dem 16. Jh. Die Figuren des Neptunbrunnens wurden im 19. Jh. ergänzt).
Am Nachmittag fand das Treffen mit Dott.ssa Anna Maria Casavola der ANEI/Rom – Associazione Nazionale Ex Internati – und mit Maurizio Ascoli, dem Vorsitzenden des ANED/Rom – Associazione Nazionale Ex Deportati – in den Räumen der ANEI zu folgenden Themen statt:
- Die Deportation der Italienischen Militärinternierten in die Stalags (Stammlager) IIIBD – Fürstenberg und IIID – Berlin, und der jüdischen Bürger und Oppositionellen in das KZ Lieberose (Außenlager KZ Sachsenhausen).
- »Die Opfer kehren nach Italien zurück«.
Nach einer kurzen Begrüßung durch Signora Casavola berichtet Gianfranco über seine Arbeit und die Aktivitäten, die er neben seiner Autorentätigkeit ins Leben gerufen hat, wie z. B. die jährlichen Gedenkstättenfahrten des Kulturkreises Carlo Levi Filef Berlin und die jährliche Gedenkfeier in der Italienischen Botschaft in Berlin.
Maurizio Ascoli, der uns schon durch frühere Begegnungen bekannt war, hat wieder sehr emotional über das Schicksal seiner Verwandtschaft und besonders seines Vaters Angelo berichtet, der im April 1944 verhaftet, nach Auschwitz deportiert und in Lieberose am 4. Januar 1945 ermordet wurde. Er zollte Gianfranco Ceccanei und Bodo Förster äußersten Respekt und Dankbarkeit für ihre Arbeit und ihre Recherchen, ohne die er über das Schicksal seines Vaters keine Einzelheiten erfahren hätte.
Ebenso würdigte Prof. Orlando Materassi (Sohn eines italienischen Militärinternierten) die Nachforschungen und Veröffentlichungen von Gianfranco und Bodo. Seine Botschaft für die Zukunft, die er auch jungen Leuten gibt, ist »Nicht vergessen – Verzeihen – Friedlich miteinander leben«. Aus Florenz angereist war Signora Luana Colacchioni, eine Sozialpädagogin, die aktuell in einem Projekt »Memoria« für die Universität Florenz arbeitet. Sie organisiert u.a. Fortbildungsveranstaltungen für LehrerInnen und plant in diesem Zusammenhang eine Studien- und Gedenkstättenreise nach Deutschland.
Besonders emotional wurde über eine Resolution diskutiert, die das Europaparlament im September 2019 angenommen hat, die »Faschismus und Kommunismus gleichsetzt, die ehemalige Sowjetunion für den zweiten Weltkrieg mit verantwortlich macht und das Vorgehen gegen kommunistische Symbole und Ideen auch heute fordert…« Dankenswerterweise hat sich Gerda wieder spontan bereit erklärt, für uns das Gespräch, die Redebeiträge und die anschließende hoch emotionale Diskussion zu übersetzen! Das Gespräch zwischen Gianfranco und den Gästen wurde beim Abendessen im »Ristorante Gino in Villino«, Monteverde, fortgesetzt.
Am Dienstag, dem 8.10., stand für einige von uns die Besichtigung der Necropoli San Pietro, direkt unter den Vatikanischen Grotten des Petersdoms, im Circo Neronis (2. Jh. n. Chr.) auf dem Programm. Exzellente Kunsthistoriker führten durch die römische Begräbnisstätte, die seit den Ausgrabungen in den 1950er Jahren zugänglich ist, bis zum Grab des Apostel Petrus, das an dieser Stelle vermutet wird. »Es gibt keinen 100%igen Beweis, aber auch keinen Gegenbeweis!« (s. auch https://de.wikipedia.org/wiki/Vatikanische_Nekropole).
Das nächste Ziel, das am Nachmittag angesteuert wurde, war Spoleto, eine römische Kolonie latinischen Rechts mit etruskischen Spuren, ab Ende des 13. Jh. unter der Herrschaft des Papstes, 1860 dem italienischen Staat angeschlossen. Der erste Besuch galt der außerhalb der Stadt auf einem Hügel liegenden Kirche San Pietro fuori le mura aus dem 5. Jh. mit einer reich mit Tier- und Pflanzenreliefs verzierten Fassade aus dem 12./13. Jh. Das Hotel Clitunno, in dem wir 2 Übernachtungen hatten, befindet sich in einem historischen Gebäude mitten in der Altstadt von Spoleto, idealer Ausgangspunkt für die Erkundung der Stadt. Wie viele italienischen Städte fasziniert auch Spoleto durch enge Gässchen und steile Treppen, das Nebeneinander von historischen Ausgrabungen, Kirchen und Wohnhäusern und die Gelassenheit und Freundlichkeit der Bewohner in den geschichtsbeladenen Altstädten, die teilweise von Touristen überrannt werden.
Am Mittwoch, dem 9.10., stand vormittags die Besichtigung des römischen und mittelalterlichen Stadtteils auf dem Programm: Teatro Romano (1. Jh.), Sant’ Agata (Kirche und Kloster, in dem heute das Museo Archeologico Statale untergebracht ist), Arco di Druso, Tempio Romano, Palazzo Comunale/ Casa Romano… sowie der Dom Santa Maria Assunta (12.Jh.) mit Fresken von Filippo Lippi, einem der wichtigsten Künstler der florentinischen Frührenaissance, im barockisierten Innenraum.
Der malerische Domplatz, der über eine riesige, absteigende Treppe erreicht wird, ist beliebter Aufführungsort von Theater- und Konzertveranstaltungen, u. a. des internationalen ›Festivals dei Due Mondi‹. Er war auch der ideale Ort für Gianfrancos kunsthistorische Ausführungen über »die Beeinflussung der architektonischen Entwicklung der Stadt durch Bischöfe und Bettelorden«. Dem schloss sich Wolfgang mit seinem hoch interessanten Vortrag über Leben und Wirken Franz von Assisis an, von dem auch ein Originalbrief an Bruder Leo in der Kirche zu sehen ist (»Lettera a frate Leone«). Außer dem Dom besitzt Spoleto noch viele andere Kirchen, wie z. B. die romanischen Kirchen San Gregorio Maggiore und Sant’ Eufemia im erzbischöflichen Palais, die wegen Filmaufnahmen leider nicht zu besichtigen war.
Nachmittags brachte uns ein bequemer Aufzug auf die Burg Rocca Albornoziana, die als Residenz der Vikari des Papstes von 1359-62 errichtet wurde, mit zwei von einer Mauer umgebenen Höfen mit Türmen und sehr schönen Fresken aus dem 15. Jh. Von der Burg hat man einen herrlichen Ausblick auf die Stadt und die Ponte delle Torri auf der Rückseite, eine ca. 200 m lange und 80 m hohe Turmbrücke aus dem 13./14.Jh. Nachdem wir am Donnerstag, dem 10.10., noch ausgiebig durch die Stadt streiften, mussten wir leider am Nachmittag die Rückreise nach Norden antreten. Die nächste und letzte Station war Nago/Torbole sul Garda. Im Hotel Zanella wurden wir herzlich begrüßt und es erwartete uns – wie fast überall – ein köstliches Abendessen.
Am Freitag, dem 11.10. fand in Bozen das äußerst informative Treffen zum Thema Wohnungsbaupolitik in Trentino/ Südtirol statt mit Vertretern der Genossenschaft Legacoopbund, die aus der Fusion der fortschrittlichen Baugenossenschaft »La Lega« (Bozen) mit Confcooperative Alto Adige Südtirol hervorging. Dr. Monica Devilli, Vizepräsidentin des coopbund, erwartete uns in den Räumen der Lega, erklärte uns die Struktur und Arbeitsweise der Genossenschaft und stellte uns – zusammen mit anderen VertreterInnen – Projekte und Aktivitäten der Baugenossenschaft vor. Das Treffen endete mit der Besichtigung einer Neubausiedlung mit einem beteiligten Architekten.
In Torbole wollten einige von uns noch die Seeluft schnuppern, bevor sie sich zu Fuß auf den Weg nach Nago begaben… Dort luden Gerda und Gianfranco liebenswürdigerweise die Gruppe zum Aperitif ein. Für das »letzte« Abendessen hat Gianfranco wieder einen speziellen Ort gefunden, das schicke Hotel Forte Charme mit einem herrlichen Ausblick auf den Gardasee und die umliegenden Berge. Das Essen war wie immer hervorragend ausgewählt, die sonst so ausgelassene Stimmung wollte, wohl wegen des bevorstehenden Abschieds, nicht eintreten. Gabi, Michael und Max gaben ein Ständchen zum Besten und Gianfranco, Gerda und Thomas wurde mit netten und witzigen Worten der Dank der Gruppe übermittelt. Nach einem kurzen Reiserückblick von Gianfranco haben wir zum Abschluss gemeinsam noch ein paar Lieder gesungen, begleitet von Michael auf der Mandoline. Nach einer weiteren Übernachtung im Hotel Zanella hieß es nun endgültig Koffer packen. Die Rückfahrt am Samstag, dem 12.10., ging über den Brennerpass und den Zirler Berg. Nach dem Mittagessen im Landgasthof Sonnenhof in Klais/Oberbayern fuhr Thomas mit kleinen Unterbrechungen durch bis nach Leipzig, wo der Bus von einem zweiten Fahrer übernommen wurde; in Berlin kamen wir kurz nach Mitternacht an.
Die gesamte Reise war ein Erlebnis mit vielen kulturellen und kulinarischen Höhepunkten. Wie immer waren die Reiseziele mit größter Sorgfalt ausgewählt, die Geschichte und die historischen Zusammenhänge wurden uns von Gianfranco gut verständlich vermittelt. Dafür ein großer Dank! Ein besonderer Dank gebührt auch seiner Frau Gerda für ihre ständige Aufmerksamkeit und Fürsorge und vor allem ihre sachkundigen Übersetzungen bei Gesprächsrunden, Vorträgen und Diskussionen; ebenso Josefine und allen anderen, die bei der Vorbereitung und Durchführung der Reise unterstützend mitgewirkt und sie durch verschiedene Redebeiträge bereichert haben.
Die Reise verlief sehr harmonisch, die Stimmung war gut, wozu vermutlich auch das schöne Wetter beitrug – bis auf ein paar Stunden Nieselregen in Rom war es immer schön und sommerlich warm.
Lieber Gianfranco, wir freuen uns schon auf die nächste Reise!
Ingrid